«Man kann es nicht Allen recht machen»
Die Tage als Gemeinderat sind beim 73-jährigen vitalen Josef Schönenberger gezählt. «Zwölf Jahre im Gemeinderat genügen für mich.» «Anfangs hat er nicht so viel zu tun gehabt», so tönte es bei seiner Abschiedsrede von Vize Karl Stadler. Doch dies blieb nicht lange so, denn im Kopf hatte José, so wird er von Vielen genannt, eine Menge, wenn nicht gar eine Flut an Ideen. «Meine Frau Rosi, hat mich jeweils wieder auf den Boden geholt, wenn ich die Grenzen vom Machbaren nicht mehr gesehen habe», sagte Schönenberger schmunzelnd. Eine ganze Litanei von Dingen, wie die 1. August Feier, den Neujahrsapéro und die Ansprechperson für die Vereine, zählte Stadler auf. Da ihm die Natur viel bedeutet, hat er auch einen Aufräumtag sowie eine Bachputzete organisiert. Dass Weihnachten nicht nur in den Häusern, sondern auch in der Gemeinde einen Platz hatte, hat er mit einem grossen Christbaum vor dem Gemeindehaus aufgezeigt . Er hat diesen jeweils mit Hilfe von Kindern und Müttern mit glitzernden Päckli geschmückt. Auch heisse Marronis gab es einige Male auf dem Vorplatz der Gemeindeverwaltung. Das Gemeinde aktuell bekam die Handschrift von Schönenberger und wurde in all den Jahren immer mehr zu einem nicht mehr wegzudenkenden Dokument. «Für unser Gemeindeblatt habe ich viele Komplimente , sogar solche von Kindern, erhalten.» Für seine grosse Arbeit als Gemeinderat wurde er mit einer Feuersäule mit den eingearbeiteten Jahreszahlen beschenkt. Beim Bedanken sagte er: «Ich bin auch weiterhin hier und ich weiss noch nicht genau was ich machen werde, aber gewisse Sachen werde ich weiterführen.»
Wunschhaus in Lommis gefunden
Aufgewachsen ist Josef Schönenberger in Wil. Mit seiner Frau Rosi und seiner Tochter Celine wohnte er einige Jahre in Maugwil in einem schmucken Bauernhaus. «Das Haus war nicht behindertengerecht gebaut und daher zunehmend schwieriger für unsere Tochter.» Die Gemeinde Lommis kannte er eigentlich nur vom Durchfahren und vom weitherum bekannten Flugplatz. Im 2004 wollte es wohl der Zufall, dass Josef Schönenberger am alten Schulhaus von anno dazumal ein Schild mit «zu verkaufen» sah. «Wir sind dann kurz um das Haus herum geschlichen und durften es dann auch besichtigen.» Für das Wunschhaus, in welchem sie sich nun seit 19 Jahren zu Hause fühlen, bekamen Schönenbergers an der Versteigerung den Zuschlag. «Die Natur in und um die Gemeinde Lommis hat uns auf Anhieb gefallen», betont Schönenberger. Lommis habe sich in den letzten Jahren sehr positiv verändert, findet er. Dass er seinen Anteil dazu auch beitragen konnte, freut ihn sehr. Trotzdem gebe es noch viele Einwohner, welche er nicht kenne und auch einige Sachen, welche ihm nicht gelungen seien. «Ich habe es zum Beispiel nicht geschafft die jungen Familien ins Dorfleben zu integrieren.» Ganz so stimmt es wohl nicht, denn mit Events wie dem Veloplausch oder dem Biken in der Kiesgrube traf er den Nerv der Familien sicherlich sehr gut. Schön findet er, dass in der Gemeinde eine rege Bautätigkeit besteht. «Dies liegt sicherlich an den noch meist vernünftigen Bodenpreisen, aber auch an der sehr gut funktionierenden Gemeinde inmitten der Natur.» Nicht gelungen, so findet er, ist ihm der Neuzuzüger-Apéro «Es war schon etwas deprimierend, weil praktisch keine Anmeldungen erfolgt sind. Man könnte es aber nochmals aufnehmen, manchmal klappt es ja eben nicht beim ersten Anlauf», so Schönenberger.
Nicht nur nehmen, sondern auch geben
«Eigentlich bin ich noch immer nicht der Typ um politisch tätig zu sein und dennoch habe ich die zwölf Jahre sehr gerne gemacht», betont Schönenberger. Die ersten Jahre wohnten und lebten Josef und Rosi Schönenberger einfach in der Gemeinde. «Ich sagte mir dann, man darf nicht einfach nur nehmen, man muss auch etwas geben.» Er wurde dann einige Male auch auf das freiwerdende Amt angesprochen und stellte sich zur Wahl. Er zeigte Durchhaltevermögen: «Man kannte mich noch zu wenig, beim zweiten Mal hat es dann aber geklappt. Ich hatte grosses Glück, dass gerade das Ressort Kultur und Freizeit frei geworden ist. Ich habe es, so glaube ich zumindest, geschafft Kultur in die Gemeinde zu bringen. Es macht mir Sorgen, dass es den Vereinen mangels Nachwuchs nicht gut geht», sagt er nachdenklich. «Ich selbst bin auch kein Vereinsmensch und darf und will nicht auf Andere zeigen.» Er hat es aber geschafft die Vereine mit Ideen und Anregungen und auch finanziell zu unterstützen. Unterstützt werden auch auswärtige Vereine, wie die beiden Fussballclubs Tobel und Wängi und die Musikgesellschaft Affeltrangen. Zufrieden ist er mit der Belegung der Mehrzweckhalle, sie werde schon jetzt sehr viel genutzt und nach der Renovation wohl noch mehr. Dass sowohl bei der 1. August Feier, als auch beim Neujahrsapéro jeweils um die 150 Leute teilgenommen haben, hat ihn immer sehr gefreut.
Foto Jahrbuch für die Zukunft
Ein grosses Projekt, welches er seit einigen Jahren betreibt ist das Foto Jahrbuch für die Gemeinde Lommis. «Eigentlich ist es eine Zusammenfassung der Gemeinde aktuell Monatsausgaben.» Schönenberger findet es schade, wenn diese interessanten Geschichten einfach im Altpapier landen. Der Aufwand für ein Jahrbuch betrug jeweils mindestens 100 Stunden. Das Fotobuch 2022 war die achte Ausgabe. «Mir war es dies immer wert, denn in 10 oder 20 Jahren werden diese Bücher einen viel höheren Wert haben, als heute.» Auch die Ausstellung mit alten Fotos und Dokumenten von Lommis hat ihm grosse Freude bereitet. «Da ich nochmals 250 alte Fotos, sowie Filme erhalten habe, möchte ich eine zweite Ausstellung machen.» Weil die Mehrzweckhalle bereits Ende Juni infolge des Umbaus nicht mehr genutzt werden kann, muss er dies wohl eher auf die Wiedereröffnung der Halle verschieben.
Jubiläumsblick durch den Rahmen
Vor drei Jahren hat die politische Gemeinde Lommis das 25jährige Bestehen feiern dürfen. Es lag auf der Hand, dass Schönenberger sich dafür etwas einfallen liess. Coronabedingt konnten verschiedene geplante Sachen nicht durchgeführt werden. Ein Höhepunkt war sicherlich der Fotowettbewerb. Über 300 schöne Fotos der liebeswerten Gemeinde bekam Schönenberger zugestellt. «Es war viel Arbeit, diese auszuwerten, es hat mir aber grosse Freude bereitet.» Auch die Bilderrahmen an verschiedensten Aussichtspunkten in der Gemeinde kamen sehr gut an. «Wenn man die Aussicht durch einen solchen Rahmen betrachtet hatte, wurde es einem noch mehr bewusst, wie schön es ist hier leben zu dürfen», bekräftigt Schönenberger.
In der Gemeinde läuft etwas
Der Aufräumtag und die Bachputzete waren auch Projekte, welche Schönenberger am Herzen lagen. «In diesem Jahr haben sicherlich 40 Personen, Erwachsene und Kinder, an dieser Aktion teilgenommen. Für mich ist es etwas Erzieherisches. Alle regen sich über Littering auf, aber statt sich nur aufregen, kann man dagegen etwas tun.» Ein weiterer beliebter Anlass, den Schönenberger ins Leben gerufen hatte, war der alljährliche Abendspaziergang. «Das ist ein sehr schöner Anlass, der ausserdem fast nichts kostet.» Ständig nach neuen Ideen Ausschau halten, kam ihm der Gedanke ein Kürbisfest zu machen. Der Turnverein hat diese Idee aufgenommen und erfolgreich umgesetzt. «Das ist der Lohn für den Einsatz, wenn man merkt und sieht, wie neue Sachen entstehen.» Sehr beliebt ist bei Gross und Klein auch der Kasperli Besuch im Beerihaus. «Der Kasperliwagen gehört meinem Bruder und zusammen mit einer Puppenspielerin macht er an verschiedenen Orten Halt, so seit einigen Jahren auch in Lommis. Die glänzenden Kinderaugen und die freudigen Gesichter der vielen Kinder, sind mehr als genug Lohn dafür, dass ich eine solche Idee umsetzen konnte. Umgesetzt hätte ich auch gerne einen Erlebnistag mit Kindern in einer Kiesgrube, oder auf der Kinderbaustelle Will», sagt er etwas wehmütig. Wenn Schönenberger das Ganze so betrachtet, so findet er, dass in der doch kleinen Gemeinde Lommis recht viel läuft.
Seniorenarbeit wäre noch ausbaubar
Es gibt wie schon erwähnt allerdings auch Sachen, mit denen er nicht zufrieden ist. Weit oben auf dieser Liste steht die Seniorenarbeit. «Ich möchte für die Senioren noch etwas machen, dies habe ich versprochen.» Den Tourismus Thurgau hat er für die Gemeinde nicht gross verfolgt. «Wir sind sowohl im Tourismus, als auch in der Wirtschaft, eine Randregion.» Er habe zwar im Sinn gehabt eine Gourmetwanderung rund um Lommis durchzuführen. «Der Termin mit TG-Tourismus war fix gebucht und die Planung schon weit fortgeschritten. Die Wanderung ist dann leider der Corona Pandemie zum Opfer gefallen», sagt er mit Bedauern. Wichtig war und ist ihm, dass es lebenswert ist in Lommis zu wohnen. «Ich finde es fehlt uns ein Raum für 30 bis 50 Personen.» Im kulturellen Bereich wäre so Vieles mehr möglich, wie Lesungen, Vorträge aber auch die Vereine könnten einen solchen Raum für sich nutzen, ist er überzeugt. In diesem Zusammenhang könnte auch sein Wunschprojekt eine Dorfbibliothek anzubieten, vielleicht umgesetzt werden. «Hier bin ich einmal nahe am Ziel gewesen, es ist dann aber leider gescheitert.»
Lommis gestern und heute
Schönenberger rief auch das Projekt über die Grenzen ins Leben. Er denkt an vergangene Anlässe wie die Säntisbesichtigung, den alten Silvester erleben, sowie Karl Kühnes Gassenschau. Dieses Projekt habe er dann auch nicht mehr weiterverfolgt. Dass er auch Flüchtlinge mit viel Herzblut und grossem Einsatz betreut hatte, war Neuland für ihn. «Es ist uns damals gelungen die Mutter und ihre Kinder im Dorf zu integrieren. Die Kinder konnten ihre Ausbildungen erfolgreich absolvieren.» Die Flüchtlinge, welche heute aus der Ukraine hier sind werden vom Sozialamt betreut. Schönenberger hat noch einige Projekte im Kopf, wie monatliche ü65 Treffs. «Diese könnten mit einer Besichtigung, einem Konzert, einem Spaziergang/Wanderung oder einem Mittagessen verbunden werden.» Gerne würde er zudem ein Buch über Lommis mit dem Titel: «Lommis gestern und heute» machen. «Ich werde es trotz der vielen Ideen, nun ein wenig ruhiger angehen und freue mich, wenn ich nun etwas herunterfahren kann.» Mit seinen Hobbys, allem voran dem Lesen von Krimis und dem Biken und den vielen Ideen wird es dem vitalen Mann bestimmt nicht langweilig werden. Im Ressort Kultur und Freizeit hat ihm auch der Kontakt mit den Jugendlichen, welche ihre Ausbildung oder einen Schulabschluss gemacht haben, grosse Freude bereitet. «In unserer Gemeinde hat es wirklich tolle junge Leute und wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir praktisch keine Probleme haben mit der Jugend.» Es gab aber als Gemeinderat auch Einiges wie beispielsweise das Baureglement durchackern, dass er nicht sonderlich gerne machte und eben doch machen musste. Die Übergabe an seine Nachfolgerin Natascha Kurmann wird in Etappen stattfinden. «Alles auf einmal wäre zu viel und ich bin ja immer noch da für Fragen», sagt er gelassen. Er möchte ihr aber keinesfalls hineinfunken. «Die Kontakte im Gemeinderat, mit der Verwaltung und mit der Bevölkerung, wofür ich sehr dankbar bin, werden mir bestimmt fehlen.» Mit dem Ende der Ära Gemeinderat kam auch das Ende seiner 174 Jahre alten Firma Wiler Rahmen. «Die Liquidation dauert noch bis Herbst 2024 und wird mich noch eine Weile beschäftigen», betont Schönenberger. Das Leben ist ein ständiger Wandel und diesen Wandel scheut Schönenberger nicht optimistisch anzugehen.
Ursi Vetter